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  • System XKeyscore: US-Privatfirmen suchen Überwachungsfachleute

    Das Spionagewerkzeug XKeyscore, das NSA und BND einsetzen, hat viele Fans – auch in privaten US-Unternehmen. In Stellenanzeigen suchen die Firmen ganz offen nach Fachleuten für diverse NSA-Programme. Wichtige Einstellungsbedingung: ein bestandener Lügendetektortest.

    Washington/Fort Meade – Die National Security Agency ist eine gewaltige Behörde. Der “Washington Post” zufolge arbeiten derzeit etwa 33.000 Menschen für den US-Geheimdienst, der auf Spionage, Verteidigung und Angriff in Netzwerken spezialisiert ist. Die NSA unterhält nicht nur eine riesige Zentrale in Fort Meade, Maryland, sondern auch noch zahlreiche Stützpunkte in den USA und anderswo. Im britischen Menwith Hill sollen demnächst bis zu 2500 NSA-Bedienstete arbeiten. In Bluffdale, Utah, baut der Geheimdienst derzeit das vermutlich größte Rechenzentrum des Planeten.

    Doch all diese Einrichtungen sind nur ein Teil des tatsächlichen Geheimdienstapparats – andere Teile der US-Sicherheitsarchitektur sind längst outgesourct. In einem großangelegten Bericht über diese Schattenbranche schätzte die “Washington Post” schon 2010, dass von 854.000 Personen mit der Sicherheitsfreigabe “Top Secret” 265.000 Vertragsangestellte von Privatunternehmen waren.

    Noch immer suchen sowohl die NSA als auch die knapp 500 privaten Firmen, mit denen sie zusammenarbeitet, ganz offen nach weiterem Fachpersonal für Überwachung, Spionage und Cyberwar. Eine ganze Reihe von Stellenanzeigen der NSA selbst für Positionen etwa im Bereich Computer Network Operations beginnt jeweils mit der gleichen, erstaunlich offenen Passage:

    “Unsere Nation ist in eine neue Ära eingetreten, die tiefgreifende Veränderungen hinsichtlich der Operationsweise der National Security Agency mit sich bringt. Die explosive Ausbreitung des World Wide Web verlangt nach einer Mission im Bereich Computer Network Operations. Diese wichtige Mission besteht aus drei Teilen: Netzwerkverteidigung, Netzwerkattacken und Erschließung von Computernetzwerken. Um diese Funktionen zu erfüllen, sucht die NSA Menschen, die mit hoher Sachkunde und Leidenschaft den Krieg im Cyberspace gewinnen wollen.”

    Dass der Geheimdienst den “Krieg im Cyberspace” als gegeben betrachtet, lässt tief blicken. Die NSA verschickt solche Stellenanzeigen sogar über einen eigenen Twitteraccount.

    Doch die NSA selbst ist bei weitem nicht die einzige Organisation, die in Online-Stellenanzeigen freimütig mit dem eigenen Bedarf an Arbeitskräften hausieren geht. Eine ganze Reihe von Unternehmen sucht beispielsweise Analysten, Techiker, Programmierer, die mit dem als streng geheim eingestuften System XKeyscore umgehen können, das SPIEGEL-Informationen zufolge auch der Bundesnachrichtendienst (BND) und der Verfassungsschutz (BVF) einsetzen.

    Doch nicht nur nach Fachleuten im Umgang mit dieser NSA-Software wird gesucht. In zahlreichen Stellenanzeigen tauchen Programmnamen auf, die man von den bislang publizierten NSA-Folien – etwa über das Prism-Programm – kennt. Andere stehen auf einer Liste mit NSA-Programmnamen, die der Geheimdienst-Fachmann William Arkin schon im März 2012 veröffentlichte.

    Einige Beispiele:

    Der Rüstungskonzern L3 Communications (nicht zu verwechseln mit dem Telekommunikationskonzern Level 3 Communications) sucht für seine Sicherheitssparte einen Systems Integration Engineer am Standort Maryland / Fort Meade – dort ist auch die NSA zu Hause. Mit Programmen wie XKeyscore sollte sich der Bewerber auskennen, vor allem mit dem Entwickeln von Zusatzprogrammen, sogenannten Plug-ins.
    Als Netzwerk-Spezialist ist man gefragt bei Tasc. Die Firma mit mehreren tausend Mitarbeitern und laut “Washington Post” schon 2009 einem Jahresumsatz von zwei Milliarden Dollar bietet IT-Lösungen für Geheimdienste und Militär an. Mitbringen sollen Bewerber Kenntnisse von NSA-Programmen wie XKeyscore, Tuningfork, Discoroute oder Marina. Letzteres dient den Prism-Folien zufolge der Auswertung von Internetverbindungsdaten. Die potentiellen Mitarbeiter werden mit der Aussicht gelockt, “Schutz und Sicherheit zu verbessern und die Grundwerte der Gesellschaft zu schützen”.
    Das Unternehmen CyTech sucht einen Analysten, der sich auf das Auswerten verschiedener Quellen versteht – mit NSA-Programmen wie Anchory/Maui, Pathfinder oder Skywriter. Pluspunkte sind Kenntnisse von Pinwale und XKeyscore. Pinwale ist ein Analyseprogramm für Video-Inhalte, das ebenfalls auf den Prism-Folien auftaucht.

    Die Liste ließe sich fortsetzen: Auch andere einschlägige Unternehmen wie Saic, Raytheon oder BAE Systems suchen nach qualifizierten Fachkräften für Überwachungssoftware, die man nun als NSA-Werkzeuge kennt. Umgekehrt preisen im Business-Netzwerk LinkedIn Dutzende Mitglieder ihre Erfahrung mit XKeyscore und anderen NSA-Programmen als Qualifikation an.

    Was Bewerber in der Regel mitbringen müssen: eine Sicherheitsfreigabe “mit Lügendetektor”. Die Kandidaten müssen Dokumente der höchsten Geheimhaltungsstufe einsehen dürfen, außerdem eine Überprüfung durchlaufen haben, um auch mit besonders gesicherten Informationen zu arbeiten.

    Auch auf den XKeyscore- und den Prism-Folien steht stets “Top Secret” – die Unternehmen aus dem Dunstkreis der US-Geheimdienste suchen dennoch ganz offen nach Fachleuten. Womöglich nach solchen, die wiederum die NSA selbst ausgebildet hat. Für sein “Digital Network Exploitation Analyst Development Program” (DDP) wirbt der Geheimdienst etwa mit den Worten: “Wegen ihres Fachwissens und der Bandbreite ihrer Erfahrungen herrscht intensive Nachfrage nach Personen mit einem Abschluss in diesem Programm.”

    Tatsächlich wandern ständig junge, gut ausgebildete Leute von den US-Diensten zu privaten Unternehmen ab, die einfach besser bezahlen – um dann über Outsourcing-Verträge doch wieder für NSA oder CIA zu arbeiten. So war es auch bei Edward Snowden: Er arbeitete für die CIA, bevor er sich von der privaten Firma Booz Allen Hamilton anheuern ließ, um dann für ein sechsstelliges Gehalt als Systemadministrator zu arbeiten. Bis er sich mit Tausenden NSA-Dokumenten aus dem Staub machte.

    22. Juli 2013, 18:08 Uhr
    Von Christian Stöcker und Ole Reißmann
    Mitarbeit: Judith Horchert

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