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Ein Deutscher soll für den US-Geheimdienst spioniert haben. Verdächtig macht ihn sein Kontakt zu einem rätselhaften Politologen aus Washington, der schon anderen unmoralische Angebote gemacht hatte.
Eine Tagung in Washington D.C. vor ein paar Wochen im Juni: Auf dem Podium sitzt ein Mann mit kariertem Sakko, der sich die Lesebrille auf die Nasenspitze gezogen hat. Seinen Vortrag über Sicherheitspolitik liest der Amerikaner größtenteils vom Blatt ab. Andrew M. ist Dozent für Internationale Beziehungen an der George Washington Universität. Seine Biografie weist ihn als Experten in Konfliktgebieten aus.
Jene, die dem Politologen schon einmal persönlich begegnet sind, beschreiben ihn als “freundlich”, “engagiert”, “amerikanisch offensiv”. Allerdings sei Andrew M. auch eine “undurchsichtige Person”. Dazu passt, dass der 52-Jährige in eine Spionageaffäre (Link: http://www.welt.de/themen/spionage/) verwickelt ist. Er steht im Verdacht, einen Mitarbeiter des deutschen Verteidigungsministeriums als Agenten für einen US-Geheimdienst geführt zu haben: Leonid K., 37 Jahre alt, bis zu seiner Beurlaubung Länderreferent in der Politikabteilung.
Seit Ende April beschäftigt der Schwabe, der mit seiner Familie vor den Toren Berlins lebt, die Bundesanwaltschaft. Sie ermittelt gegen ihn wegen des Verdachts der geheimdienstlichen Agententätigkeit (Link: http://www.welt.de/129930340) .
Geheimnisse gegen Geschenke
Zunächst sah es so aus, als ob sich der Vorwurf in Luft auflösen würde. K. wurde zwar vernommen, aber nicht verhaftet. Nachdem am 9. Juli sein Arbeitsplatz und seine Wohnung durchsucht worden waren, werden jetzt immer mehr Details bekannt. Ein Nachrichtendienstler, der den Fall gut kennt, sagte: “Wenn ich die Bundesanwaltschaft wäre, würde ich Anklage erheben. Die Indizien für eine Spionagetätigkeit sind sehr stark.” K., der von dem US-Bürger M. mehrfach Geschenke angenommen hat, soll vertrauliche Militärunterlagen übergeben haben, zuletzt im Frühjahr dieses Jahres.
Ab 2008 war der Deutsche als Politik-Berater im Kosovo, bezahlt vom Auswärtigen Amt. Damals lernte er den Amerikaner kennen, der unter anderem half, den kosovarischen Nachrichtendienst aufzubauen. Offenbar verfügte er über Expertise. Zwischen ihm und K. entwickelte sich eine Freundschaft – mit Folgen. Denn im August 2010 erreichte den Verfassungsschutz ein anonymes Schreiben. K. stehe als Spion im Dienste der Russen, behauptete der Verfasser und verwies auf konspirative Treffen in der Türkei und auch in Ungarn.
Die Spionageabwehr ging dem Hinweis nach und fand heraus, dass K. tatsächlich zwei Mal pro Jahr in die Türkei reiste, jeweils im Frühjahr und im Herbst. Dabei stieg er immer in anderen Hotels ab. Nach Informationen dieser Zeitung wurde ein türkischer Partnerdienst gebeten, den Verdächtigen zu observieren. Die Agenten vom Bosporus notierten, dass sich der Deutsche stets mit derselben Person traf: mit dem Amerikaner M.
“Seine Biografie riecht nach Agententätigkeit”
Die Reisen nach Ungarn stellten sich dagegen als harmlos heraus. K. hatte dort nur eine Freundin besucht. Anders als diese Dame blieb Andrew M. interessant. “Seine Biografie riecht nach Agententätigkeit”, sagt ein Geheimdienstexperte. Nach seiner Einschätzung sind schon die beruflichen Stationen auffällig. M. hatte eng mit dem privaten US-Sicherheitsdienstleister “DynCorp” zu tun, er beteiligte sich am Aufbau des Militärs in Liberia und beriet Polizeibehörden auf dem Balkan. Zudem erfüllte er Aufträge in Pakistan, Sudan, Jamaika, Guatemala und Kirgisien.
Ein Wissenschaftler berichtet von merkwürdigen Begegnungen mit M. Dieser habe ihm vor Jahren einen Vertrag über eine Zusammenarbeit angeboten, der so lukrativ dotiert gewesen sei, dass er dahinter ein unmoralisches Angebot vermutet habe. “Es würde mich nicht wundern, wenn Andrew für einen Geheimdienst arbeiten würde”, sagt der Akademiker.
Leonid K. wiederum wurde im Sommer 2013 trotz des Verdachts vom Verteidigungsministerium eingestellt. Seine Beobachtung übernahm nun der Militärische Abschirmdienst, der schließlich die Bundesanwaltschaft einschaltete. Dumm nur, dass vor der Razzia in der vergangenen Woche die US-Geheimdienste längst von dem Verdacht gegen K. wussten.
“Andrew ist absolut integer”
Grund dafür war eine Anfrage der Deutschen zu seiner E-Mail-Adresse. Kurz darauf soll das mutmaßliche Agentenduo vereinbart haben, nur noch über Skype miteinander zu kommunizieren. Diesen Internet-Telefondienst können deutsche Sicherheitsbehörden offenbar nicht knacken.
Leonid K. bestreitet, ein Verräter zu sein. Er verbucht den ganzen Fall unter der Kategorie “Wahnsinn”, wie er der “Süddeutschen Zeitung” dieser Tage sagte. Hat er von der möglichen nachrichtendienstlichen Anbindung seines Vertrauten M. nichts geahnt? K. nimmt ihn ausdrücklich in Schutz: “Andrew ist absolut integer.” Anfragen dieser Redaktion ließ er unbeantwortet. Sein amerikanischer Freund war gegenüber dieser Zeitung ganz kurz angebunden. Am Telefon sagte er nun: “Ich kann nicht mit Ihnen sprechen.”
Von Dirk Banse, Manuel Bewarder , Florian Flade und Uwe Müller
24. Jul. 2014, 13:32
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