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  • In Luxemburg kocht Stay Behind hoch; Ein Geheimdienstprozess erschüttert das Großherzogtum

    Der Luxemburger Geheimdienstskandal bietet ganz großes Kino: Eine James-Bond-Uhr, Spezialagenten, Bombenanschläge, Verwicklung ausländischer Mächte, Cover Up, Hochverrat durch einen Geheimdienstchef und eine ruchbare Intrige im Hochadel. Ein Untersuchungsausschuss sowie ein Strafprozess gegen zwei vormalige Angehörige einer Polizeispezialeinheit sollen das trübe Kapitel aus dem Kalten Krieg beleuchten – mit Staatschef Jean-Claude Juncker nebst Hochadel und Geheimdienstelite im Zeugenstand.

    In den 1980er Jahren wurde das Großherzogtum Luxemburg von einer bis heute ungeklärten Serie an Bombenanschlägen terrorisiert, die Strommasten, Polizeistationen, den Justizpalast, den Flughafen, ein Schwimmbad, ein Gaswerk und auch eine Zeitung beschädigten. Ein Mensch wurde durch eine raffinierte Sprengfalle verletzt, eine weitere hätte beinahe Todesopfer gefordert. Ein erstes angebliches Bekennerschreiben eines “Mouvement Ecologiste Combattant” schien die grüne Bewegung in Misskredit zu bringen. Zwar reagierte man auf lancierte Forderungen nach Schutzgeld, das etwa während des Papstbesuchs hätte übergeben werden sollte, in dem die Behörden Geldkoffer an den gewünschten Stellen bereitstellten. Statt diese abzuholen, schilderten die erstaunlich gut informierten Bombenleger jedoch präzise, wer genau ihnen alles vor Ort eine Falle stellte. Etwa zur selben Zeit gab es in der Bundesrepublik Deutschland Anschläge, die ohne harte Beweise einer mysteriösen “Dritten Generation der RAF” zugeschrieben wurden, die deutlich professioneller als ihre Vorgänger agierte, deren politische Motive dafür jedoch diffus blieben.

    Ein Luxemburger Ehepaar, das einen der Bombenleger beobachtet hatte, fühlte sich von der Polizei nicht ernst genommen. Statt sie als Zeugen anzuhören, habe man auf sie eingeredet und Verwirrung gestiftet. Beim Anfertigen eines Phantombilds hätten sich die Beamten bemüht, das Ergebnis von den Beschreibungen abweichend zu zeichnen. Das behördliche Desinteresse erinnert an die unzähligen “Ermittlungspannen”, die den Behörden anderer NATO-Länder in den 1980er Jahren bei der Aufklärung von Terroranschlägen unterliefen. Vor allem der geringe Sachschaden sah dem damals nur wenige Jahre zurückliegenden Celler Loch ähnlich, selbst eine Neuauflage der geheimdienstlichen Operation Nordpol.

    Mr ?

    Vor einigen Jahren tauchte bei RTL ein Zeuge auf, der anonym bleiben wollte, und darauf bestand, ausschließlich und persönlich mit Luxemburgs Premierminister Jean-Claude Juncker zu sprechen. Das Treffen wurde schließlich gewährt und der Mann informierte Juncker über eine Person, die er beobachtet habe. Er gab an, die Luxemburger Sûreté habe ihn davor gewarnt, diesen Namen zu nennen, er habe sonst mit persönlichen Konsequenzen zu rechnen. Der Informant schrieb Juncker den Namen auf einen Zettel, worauf hin der Regierungschef den Großherzog persönlich aufsuchte. Beim Namen soll sich um keinen Geringeren als “Jean Nassau” handeln – den zweitgeborenen Bruder des Großherzogs Henri. “Mäi Gott”!

    Auch das genannte Ehepaar wollte den Prinzen erkannt haben. Doch Hoheit erinnerte sich nach 20 Jahren, an diesem Tag in den Wäldern des Loir-et-Cherwaren der Jagd gefrönt zu haben und stellte sein Alibi mit Zeugen und einem Brief seiner Verlobten unter Beweis. Der Informant soll inzwischen verstorben sein.

    Mr M

    Ein Schattenmann namens “M” schien ein Freund und Kollege von André Kemmer zu sein, einem Offizier des Luxemburger Geheimdienstes SREL. M fiel offenbar der Mitschnitt eines abgehörten Gesprächs zwischen Juncker und dem Großherzog in die Hände. M sandte dem Geheimdienst SREL eine verschlüsselte CD, auf der die Aufzeichnung angeblich zu hören ist. Der SREL will den Code aber bis heute nicht geknackt haben.

    Mr Mille

    Juncker bat 2008 den damaligen Luxemburger Geheimdienstchef Marco Mille zur Unterredung. Mille berichtete, dass der Großherzogliche Hof in Luxemburg sich um Abhörtechnik für Telefongespräche bemüht hätte, wobei man mit dem Geheimdienst ihrer Majestät konspiriert hätte. Die Verbindungen ins Vereinigte Königreich sind exzellent, da der Luxemburger Hochadel seine Sprösslinge auf britische Schulen zu senden pflegte.

    Geheimdienstchef Mille war sich nicht zu schade dafür, das Gespräch mit seinem politischen Vorgesetzten ebenfalls heimlich aufzuzeichnen, wobei sich der Schattenmann stilecht einer verwanzten Armbanduhr bediente. Wie inzwischen bekannt ist, kam es damals zu weiteren illegalen Abhöraktivitäten. Die Peinlichkeit wurde perfekt, als der Mitschnitt aus der Spezialuhr seinen Weg in die Öffentlichkeit fand. Der SREL soll seinerzeit auch ergebnislos versucht haben, M abzuhören, indem man ihm ein präpariertes Mobilfunktelefon unterjubelte. Der damalige Geheimdienstchef Mille ist heute Sicherheitschef beim deutschen Siemens-Konzern (wo man sich von der Mobilfunksparte längst verabschiedet hat und Armbanduhren zu retouchieren pflegt). Strafrechtlich betrachtet ist die Abhöraktion inzwischen verjährt.

    Tote E-Mail-Briefkästen

    Das Aufrollen des Bombenleger-Falls ist nicht unwesentlich das Resultat zweier Journalisten des Luxemburger Senders RTL, Nico Graf und Marc Thoma, die sich über 15 Jahre nicht beirren ließen. Sie richteten 2005 für Whistleblower eigens die E-Mail-Adresse “bomm@rtl.lu” ein. Die Staatsanwaltschaft kopierte diese Idee, wobei sich die Behörde der Dienste von Hotmail bediente: “enquete85@hotmail.com”. 10 Tage nach Einrichtung dieser Hotmail-Adresse entrüstete sich ein unbekannter Hacker über die laxen Sicherheitsstandards der Staatsanwaltschaft und mailte Logindaten nebst Passwort an die RTL-Adresse. Dies führte zu einer Hausdurchsuchung bei RTL, über die sich der Sender bitter beklagte.

    “Super-Flic”

    Zwischenzeitlich wurde als Hauptfigur der Polizist Ben Geiben gehandelt, der Ende der 1970er Jahre die “Brigade mobile de la Gendarmerie” aufgebaut hatte, der die beiden Angeklagten angehörten. Geiben hatte die Polizei überraschend Jahre vor den Anschlägen verlassen. Bereits 1985 geriet er wegen seines damals kaum erklärbaren Berufswechsels und aufgrund seiner Fähigkeiten und Kenntnisse in einen vagen Anfangsverdacht. Sein Nachfolger ließ ihn deshalb erfolglos beschatten. Geiben begründete sein Ausscheiden aus dem Polizeidienst mit seiner Homosexualität, mit der er die Behörde im katholischen Luxemburg nicht in Verruf habe bringen wollen.

    “Ermittlungspannen”

    Am Montag begann nun der Prozess gegen die zwei Polizisten Jos Wilmes und Marco Scheer, denen man vorwirft, sie hätten als Angehörige der “Brigade mobile de la Gendarmerie (BMG)” gemeinsam mit zwei weiteren (inzwischen verstorbenen) Kollegen die Anschläge inszeniert, um mehr Mittel für die Ordnungskräfte durchzusetzen. Im Verlauf der Ermittlungen verschwanden 88 von 125 Beweisstücken. Mal versickerten Beweise, die man zur Sicherung eines Fingerabdrucks an das deutsche BKA geschickt hatte, auf dem Rückweg, mal auf dem Weg zum amerikanischen FBI, mal brach in einem Archiv Feuer aus. Anzeige

    Der ermittelnde Staatsanwalt Biever schrieb schließlich seinem Justizminister einen offenen Brief, in dem er sich insbesondere darüber beschwerte, dass bei der Polizei offenbar “Amnesie” grassiere. Der “Gedächtnisverlust” nehme mit dem Rang der Vernommenen bis rauf zur Polizeiführung zu. Geibens Nachfolger konnte sich an erstaunlich viele Details aus dieser Zeit erinnern, nicht aber, dass er eine Beschattung seines eigenen Vorgängers angeordnet hätte, und musste seine Dienstmütze nehmen. Die Luxemburger nahmen den Fall zum Anlass, ihr Strafgesetzbuch um den Tatbestand “entrave à la justice” nachzubessern, was in etwa der deutschen “Strafvereitelung” entspricht.

    Whistleblower?

    Doch seit letzter Woche gibt es in der Luxemburger Geheimdienst-Saga einen weiteren Akteur. So diente sich den beiden Journalisten nunmehr ein geheimnisvoller Whistleblower an, der berichtete, er habe als Unteroffizier dem sagenumwobenen Stay Behind-Netzwerk der NATO angehört, landläufig auch als GLADIO bekannt. Man habe seinerzeit das trainiert, was die Bombenleger auch gemacht hätten: So habe man im Schatten des NATO-Manövers “Oesling 84” auch die Stay-Behind-Saboteure getestet. Die Übung sah vor, die regulären Ordnungskräfte, Soldaten etc. als sowjetische Besatzer zu betrachten und sich an diesen vorbeischleichen, um unentdeckt etwa an Hochspannungsmasten symbolisch rote Klebepunkte anbringen. Die Markierungen hätten “Bombe erfolgreich gelegt/Mast gesprengt”bedeutet. Die Saboteure seien von England aus im Tiefflug eingeflogen und mit dem Fallschirm abgesetzt worden – OSS/CIA-Style.

    Wie das Luxemburger Tageblatt meldet, wurden von Premierminister Jean-Claude Juncker und Verteidigungsminister Jean-Marie Halsdorf mittlerweile in einer parlamentarischen Dringlichkeitsanfrage zusätzliche Informationen zu Stay Behind gefordert.

    Stay Behind gehört allerdings nach wie vor zu den sensibelsten Geheimnissen, die es in der NATO-Welt gibt. Manche Regierungschefs wurden von ihren Militärs nicht einmal über die Existenz der hochgeheimen Netzwerke informiert. Offenbar ist das unheimliche Netzwerk sogar älter als die NATO und wurde von den Diensten parallel aufgebaut und unterhalten.

    Platzt der Bombenleger-Prozess?

    Das Verfahren wird in Luxemburg als “Jahrhundertprozess” bezeichnet. Als Zeugen geladen sind Jean-Claude Juncker, die Prinzen Jean und Guillaume sowie Ex-Statsminister Jacques Santer sowie der Justizminister und diverse Schattenmänner. Die Verfahrensdauer wird auf drei Monate veranschlagt, 90 Zeugen sollen vernommen werden. Als sei der Fall noch nicht skurril genug, so heißt der im Prozess agierende Staatsanwalt ausgerechnet Oswald – ein Omen dafür, dass die Monarchie nach Bauernopfern wie die beiden Polizisten verlangt?

    Die Strafverteidiger forderten die Vertagung des Verfahrens. Der für sein Temperament bekannte Rechtsanwalt Gaston Vogel und seine Kollegin Lydie Lorang sparten nicht mit Kritik an den Behörden und beklagten die massiven Beweisverluste. Vogel veröffentlichte bereits letzte Woche einen offenen Brief an Premierminister Juncker.

    Verteidiger Vogel ist vom Alibi des jagenden Prinzen keineswegs überzeugt. So gab der Zeuge an, den Prinzen um 3.30 Uhr in der Nähe des Tatorts gesehen zu haben, während das Alibi erst ab etwa 12 Uhr greift. Auch in den 1980er Jahren vermochte man die Distanz von 500 Kilometern innerhalb von etwa acht Stunden zu überwinden. Warum allerdings der Blaublütige persönlich vor Ort gewesen sein soll, ist unklar.

    Geheimdienst-Wiki

    Um die komplexe Angelegenheit zu illustrieren, haben Aktivisten inzwischen ein Wiki aufgesetzt und als Domain hierfür frech den Namen des Geheimdienstes SREL.lu gekapert. Auch eine Mindmap soll bei der Orientierung helfen.

    Wer immer Mitte der 1980er im Großherzogtum Bomben gelegt haben mag, “d’Kommunisten” scheinen es nicht gewesen zu sein.

    Markus Kompa 27.02.2013

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